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Das Marketing mit dem Claim „klimaneutral“ kann rechtswidrig sein. Was alle Unternehmen jetzt für ihre Klimaschutz-Kommunikation beachten müssen.

Inhaltsverzeichnis

Klimaneutrales Produkt: OLG Karlsruhe stuft Label als rechtswidrig ein

Schon seit längerem gab es Klagen von Organisationen (z.B. der Wettbewerbszentrale oder der Umwelthilfe) zur Verwendung des Labels „Klimaneutrales Produkt“ und der damit vermeintlichen Täuschung von Verbrauchern. Das jüngste Urteil des OLG Karlsruhe geht in der Urteilsbegründung einen Schritt weiter und bezieht sich nicht nur auf eine unzureichende Information zur CO2-Kompensation, sondern hinterfragt zudem grundlegend die Wirkungsweise unterschiedlicher Klimaschutzprojekte.

Im Ergebnis darf die betroffene Drogeriemarktkette für die kritisierten Produkte nicht mehr mit dem Label „Klimaneutrales Produkt“ werben und der daran beteiligte Anbieter des Labels hat entschieden, den Begriff „klimaneutral“ in seinen Labels nicht mehr zu verwenden. Zudem werden Waldschutzprojekte als nicht geeignet für die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ angesehen, da durch Waldschutzprojekte keine zusätzliche CO2-Bindung und somit Neutralisierung entstünde. Selbst die Wirkung von Aufforstungsprojekten wird kritisiert, da nicht sichergestellt werden könne, dass die Wälder und die damit erreichte CO2-Bindung auch in 1000 Jahren noch bestünden.

Zu beachten ist in diesem Kontext auch die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“, welche noch vom EU-Parlament und dem Rat der EU final genehmigt werden muss. Der Entwurf dieser Richtlinie hat das Ziel, Verbraucher vor Greenwashing von Produkten zu schützen und enthält entsprechende Verschärfungen für die Werbung mit Produkten.

Kann ich den Begriff „klimaneutral“ für meine Unternehmenskommunikation weiter verwenden?

KLIMANEUTRALITÄT bleibt aus meiner Sicht ganz klar der richtige Begriff für die Erreichung der Klimaziele. Die EU und Bundesregierung und selbst das Bundesverfassungsgericht verwenden diesen Begriff, auch wenn er technisch nicht korrekt ist und es eigentlich Treibhausgasneutralität heißen müsste (das Klima wird nicht nur durch Treibhausgase beeinflusst). Renommierte Anbieter wie TÜV und Dekra bieten weiterhin „Klimaneutral“-Zertifizierungen an.

Auch wenn der Begriff im Rahmen der Produktwerbung und des Verbraucherschutzes nun stark beschädigt ist, für den richtigen Begriff halte ich ihn trotzdem. Es ist nur für Unternehmen jetzt deutlich schwieriger, das Label “klimaneutral“ zu nutzen. Die Nutzung billiger CO2-Kompensationsprojekte ist hierfür nun nicht mehr möglich oder zumindest mit einem erheblichen rechtlichen Risiko verbunden. Zudem sind die Transparenzanforderungen wesentlich höher. Und das ist gut so!

Klimaschutz-Marketing braucht eine höhere Qualität. Was für die Produktwerbung gilt, das ist natürlich auch für die Unternehmensebene relevant. Die Verwendung des Labels „klimaneutral“ sehe ich hier aber etwas weniger risikobehaftet, da es insbesondere im B2B-Bereich nicht um Verbraucherschutz geht und von anderen Unternehmen eine höhere Kompetenz in Sachen Klimaschutz-Kommunikation erwartet werden kann. Entscheidend ist aber auch hier eine sachlich korrekte und transparente Kommunikation (siehe letzter Abschnitt des Beitrags) und ein korrekter CO2-Ausgleich.

Welche Begriffe/ Label kann ich zukünftig verwenden, um die Klimaschutzaktivitäten meines Unternehmens zu kommunizieren?

Klimaneutrales Unternehmen

Wenn „klimaneutral“ der richtige Begriff für die Zielerreichung ist, dann ist dieses Label auch das richtige, um ein Unternehmen auszuzeichnen, welches seine CO2e-Emissionen (CO2e = CO2-Äquivalente, was weitere Treibhausgase wie Methan umgerechnet in CO2 einschließt) neutralisiert und selbstverständlich auch Maßnahmen zur CO2e-Reduktion ergriffen hat. Entscheidend ist, dass die Emissionen nicht nur kompensiert (d.h. an anderer Stelle vermieden werden), sondern durch CO2e-Bindung durch bspw. ein Aufforstungsprojekt wirklich neutralisiert werden. Waldschutzprojekte sind daher (wie das OLG Karlsruhe richtigerweise entschieden hat) nicht geeignet, um von „Neutralität“ zu sprechen. Dies trifft dementsprechend auch für alle anderen Vermeidungsprojekte (d.h. CO2e-Zertifkate aus erneuerbaren Energieprojekten oder Kochöfen) zu. Diese Einschätzung habe ich für mich schon vor über drei Jahren getroffen und mit CO2-positiv! deshalb hauptsächlich Aufforstungsprojekte und als preiswerteren Kompromiss (aufgrund der Praktiken am Markt) auch Waldschutzprojekte zur Erreichung des Labels „Klimaneutrales Unternehmen“ angeboten.

Label von CO2-positiv! für Unternehmen

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen werde ich daher ab sofort das Label „Klimaneutrales Unternehmen“ mit dem Zusatz „durch CO2e-Neutralisierung mittels Aufforstung“ vergeben. Wer aus Kostengründen auf Waldschutzprojekte zurückgreifen muss, kann künftig das Label „Klimaschützendes Unternehmen“ mit dem Zusatz „durch CO2e-Kompensation mittels Waldschutz“ erhalten. Letzteres gilt ebenfalls bei Nutzung von Aufforstungsprojekten in Deutschland, da hier die CO2e-Neutralisierung noch nicht erfolgt ist und erst in den nächsten 50 Jahren erreicht wird.

© CO2-positiv!

Welche Klimaschutzprojekte kann ich zukünftig für mein Unternehmen nutzen?

CO2-Neutralisierung für Unternehmen durch Aufforstungsprojekte

Aufforstungsprojekte bleiben als natürliche CO2-Senke eine der wichtigsten Säulen zur Erreichung der Klimaziele und sind von Politik und der Science Based Target Initiative (SBTi) explizit genannt, um unvermeidbare CO2-Emissionen zu neutralisieren. Für mich ist völlig klar, dass die geplanten CO2-Reduktionen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nicht erreicht werden (Buchtipp: „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ von Bill Gates). Deshalb ist die proaktive CO2-Bindung/ CO2-Neutralisierung essentiell für die Erreichung der Klimaziele.

Das Argument, dass die anthropogenen CO2-Emissionen viel länger in der Atmosphäre bleiben als Aufforstungsprojekte die entsprechende CO2-Bindung sicherstellen könnten, ist in diesem Zusammenhang selbst irreführend und wenig hilfreich. Durch die Zertifizierungsstandards wie den Gold Standard und Verra wird eine Dauerhaftigkeit der CO2-Bindung durch die Wälder von 30-50 Jahren gefordert. Diese Zeitspanne deckt sich aus heutiger Sicht mit den Zieljahren zur Erreichung der Klimaneutralität (EU bis 2050, Deutschland bis 2045) und geht sogar darüber hinaus. Soweit zu planen ist ohnehin schon eine riesige Herausforderung für Politik und Unternehmen.

Deshalb müssen wir jetzt als Ergänzung zu allen Reduktionsmaßnahmen so viel CO2 aus der Atmosphäre neutralisieren wie nur möglich. Wir können nicht auf die Reduktion warten. Wer hierfür durch CO2-Zertifkate aus Aufforstungsprojekten einen wichtigen Beitrag leistet, der muss sich auch zu Recht als „klimaneutral“ bezeichnen dürfen. Ansonsten wird kein Staat, kein Unternehmen dieser Welt in den nächsten 30 Jahren „klimaneutral“.

CO2-Kompensation für Unternehmen durch Waldschutzprojekte

Waldschutzprojekte bleiben trotz aller Kritik ebenfalls eine wichtige Säule für den Klimaschutz und darüber hinaus (Biodiversität, Wasserhaushalt etc.). Selbstverständlich muss sichergestellt sein, dass die Berechnungsgrundlage für die Menge an auszugebenden CO2-Zertifikaten realistisch und konservativ ist. Waldschutzprojekte können daher zukünftig weiter genutzt werden, um einen wichtigen Beitrag zum Kilmaschutz zu leisten. Sie eignen sich aber nicht mehr, um mit dem Begriff „klimaneutral“ zu werben. Hier muss ein alternatives Wording gefunden werden.

CO2-Kompensation für Unternehmen durch Vermeidungsprojekte

Vermeidungsprojekte (z.B. erneuerbare Energieprojekte wie Wind- und Solarparks oder Kochöfen) bleiben ebenfalls ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Sie sind i.d.R. deutlich günstiger als Aufforstungs- und Waldschutzprojekte und bieten somit Unternehmen, die sich Aufforstungs- und Waldschutzprojekte nicht leisten können, die Möglichkeit sich ebenfalls für den Klimaschutz zu engagieren. Vermeidungsprojekte eignen sich wie Waldschutzprojekte aber nicht mehr, um mit dem Begriff „klimaneutral“ zu werben. Hier muss ebenfalls ein alternatives Wording gefunden werden.

Ein Baum, man sieht entlang des Baumstamms bis in die Baumkrone
© ForestFinance Group

Was muss ich für meine Klimaschutz-Kommunikation grundlegend beachten?

Die Begrifflichkeiten im Rahmen einer Klimastrategie sind komplex und können schnell irreführend sein. Das gilt nicht nur für die Produktsicht, sondern natürlich auch für Informationen, die zum Unternehmen an sich veröffentlicht werden. Hier ist größte Vorsicht geboten, die eigenen Maßnahmen und erreichten Ziele sachlich korrekt und transparent zu beschreiben.

Wenn das Unternehmen komplett mit Ökostrom betrieben wurde, aktuell aber nicht mehr, dann muss auch die Website entsprechend aktualisiert werden. Begriffe wie „klimapositiv“ und „klimaneutral“ rate ich im Zusammenhang mit einer CO2-Kompensation zukünftig nicht mehr zu benutzen. Dies ist sachlich falsch und es besteht die Gefahr von Abmahnungen/ Strafen und Reputationsschäden. Zudem ist es wichtig, dass bei Verwendung von Auszeichnungen wie „klimaneutral“ ausreichend transparent dargestellt wird, wie dies erreicht wurde (Umfang der CO2-Bilanzierung und Art des CO2-Ausgleichs).

Zu guter Letzt sollte die Kommunikation glaubwürdig sein. Die Werbung mit einem „klimaneutral“-Label sollte nicht allein stehen und Teil einer umfassenden Klimastrategie des Unternehmens sein. Dazu gehört die Beschreibung erfolgreich umgesetzter und geplanter Maßnahmen zur CO2-Reduktion sowie entsprechende Ziele (z.B. 30% Reduktion des Kraftstoffverbrauchs bis zum Jahr 2025).

Gerne berate ich Sie in einem kostenlosen 30-minütigen Erstgespräch zu Ihrer Klimaschutz-Kommunikation für Ihr Unternehmen. Buchen Sie direkt hier ihren Termin.

Disclaimer: Dieser Beitrag ist die persönliche Einschätzung des Autors und keine Rechtsberatung. Um die individuelle Situation ihres Unternehmens rechtlich sicher einzuschätzen, sprechen Sie bitte mit ihrer Rechtsberatung 

Chris Schleicher

Chris Schleicher ist Gründer der Nachhaltigkeitsberatung CO2-positiv! mit Sitz in Hamburg. Mit innovativen Kooperationspartnern unterstützt CO2-positiv! Unternehmen bedarfsorientiert und persönlich auf ihrem Weg zur erfolgreichen Klimaneutralität. Chris ist zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager (TÜV) und Klimamanagement-Beauftragter (GUTcert) und verfügt durch seine jahrelange Tätigkeit als Business Manager für das Top Management einer deutschen Großbank über eine ganzheitliche Expertise in Sachen Wirtschaft und Klimaschutz.